Stoffwechsel, was ist das überhaupt und warum macht er uns dick?
Der Ayurveda ist eine Wissenschaft, vor allem eine Stoffwechsel-Wissenschaft. Schon die alten Ayurvedis haben erkannt, dass dem Agni, dem Verdauungsfeuer, eine besondere und zentrale Bedeutung zukommt. Ist der Agni gut, ist man auch bei guter Gesundheit.
Im Agni spiegelt sich das Zusammenspiel der Doshas Kapha, Pitta und Vata besonders wider. Kapha, das ist die Substanz, der Brennstoff, wenn man so will und Pitta ist das Feuer, die Transformation. Vata ist die Bewegung, die daraus entstehen kann. Dieses Konzept von Stoffwechsel, das erst mal ein wenig sehr esoterisch klingt, kann wunderbar mit der Wissenschaft und Schulmedizin vereinbart werden.
inhalt.
5. Die Schaltzentrale des Stoffwechsels
6. Hello, Jojo-Effekt!
7. Dein Essverhalten ist nicht die eigentliche Ursache für Übergewicht
8. Übergewicht, nur eine Störung des Kaphas?
1. die doshas am lagerfeuer.
ich erkläre das zusammenspiel der doshas ganz gerne mit einem lagerfeuer.
Kapha ist das Brennmaterial. Es sollte trocken, aber auch nicht zu trocken sein, im Sinne von Strohfeuer, denn sonst brennt das Feuer zu heiß und zu schnell. Ist das Holz aber zu feucht, wird das Feuer nur spärlich brennen und sich Rauch entwickeln. Genau richtig also sollte die Substanz sein. Das Feuer steht für Pitta und es macht aus der Substanz Wärme, transformiert also das Brennmaterial. Pitta brennt aber nur so gut und so lange, wie das Brennmaterial es zulässt. Vata, das ist die Luft und der Raum über und um das Feuer. Man kann einen Raum mit Feuer wärmen, aber er kann auch zu warm werden oder gar Feuer fangen, wenn zB. zu viel Unordnung herrscht und zu wenig Sicherheitsvorkehrungen um das Feuer herum getroffen wurden. Vata kann aber auch seinerseits in das Feuer pusten, um es zu entfachen. Vata ist die unberechenbarste Kraft der drei. Das weiß jeder, der schon mal bei starkem Wind ein Feuer gemacht hat, denn das ist nicht besonders empfehlenswert. Das Dosha einer Person kann also immer einen Schwerpunkt haben, aber es sind immer alle drei Energien an einem Gleichgewicht beteiligt.
2. stoffwechsel ist nicht nur verdauung.
Hinsichtlich der Verdauung unterscheidet man im Ayurveda zwischen Agni und Paka. Agni ist die tatsächliche Verdauung im Sinne von Zerkleinerung und Aufspaltung von Nahrung. Paka ist der zelluläre Stoffwechsel. Auch ohne Mikroskop gab es also auch schon im Ayurveda eine Vorstellung von Zellen, die sich in den Anu srotas, was so viel wie atomarer Kanal heißt, widerspiegelt. Auch auf dieser Ebene gibt es eine nährende Energie, die rein geht, das Prana, und eine ausleitende Energie, auch Apana genannt. Da Bewegung die Haupteigenschaft des Vata Doshas (was auch so viel wie Wind bedeutet) ist, gehören Prana und Apana zu den Vayus, den Winden, die sich in unserem Körper herumbewegen und jeder Wind hat seine eigene Richtung.
Prana Vayu ist zB der aufsteigende Vayu, der nährt und aufbaut. Apana Vayu ist die Abwärtsbewegung und damit auch die Darmperistaltik und Ausleitung von Verdautem. Haben wir zu viel Pitta, dann ist Apana Vayu zu heiß und schnell, haben wir wenig Pitta ist er zu langsam. Pitta finden wir zB in der Magensäure und im Dünndarm mit seinen Verdauungsenzymen und dem Mikrobiom. Kapha finden wir zB in der Bildung des Schleimes und Feuchtigkeit des Nahrungsbreis.
Stoffwechsel bedeutet also sowohl im Ayurveda als auch in der modernen Wissenschaft mehr als das, was wir essen und was am Ende wieder rauskommt. Es bedeutet auch, was dazwischen mit der Nahrung passiert. Es bedeutet Energiehaushalt und Versorgung mit Nährstoffen, es bedeutet, dass jede Zelle genügend versorgt wird, um ihrer Aufgabe nachzukommen.
3. die stille pandemie.
Wenn wir uns heute mal in unserer westlichen Gesellschaft umschauen, dann sieht man ziemlich bald, dass die Versorgung vieler Menschen, sagen wir mal: nicht optimal ist. Über 50% der Deutschen und Europäer sind übergewichtig. Mit dem Bild der Brennsubstanz gesprochen, haben sie wohl einfach zu viel nachgelegt.
Ganz so einfach ist es aber nicht. Schauen wir uns das mal genauer an. Dafür gehen wir davon aus, dass das Modell Kalorien rein-Kalorien raus zu einem gewissen Grad stimmt. Es ist etwas komplexer, aber dazu kommen wir gleich. Wenn man also zu viel isst und zu wenig verbraucht, durch Bewegung zum Beispiel, dann lagert der Körper die überschüssige Energie als Fett ein.
4. wie stoffwechsel funktioniert.
Was passiert mit unserem Lagerfeuer, wenn wir immer schön nachlegen? Es brennt so richtig gut. Und wenn wir vergessen zu lüften, dann wird es ganz schön warm. Das Konzept von Hitze und Entzündung war also auch schon im Ayurveda bekannt. Heute wissen wir es ziemlich genau: zu viel Fettgewebe verursacht chronische Entzündung und das umso mehr je mehr Nährstoffangebot es gibt. Jetzt ist unser Körper ja etwas komplexer und so ist auch der Zusammenhang von Stoffwechsel, Energiezufuhr und wie wir sie nutzen nicht immer intuitiv verständlich.
Vor diesem Hintergrund muss man dem Körper zugestehen, dass er durchaus versucht die überschüssige Energie loszuwerden, auch wenn er gerne spart. Sind wir gut versorgt, haben wir meistens auch Lust uns zu bewegen, haben eine ausgeprägtere Mimik und Gestik und sind kommunikativer. Außerdem frieren wir dann seltener. Sind all diese Dinge eingeschränkt darf man gerne als erstes mal nachschauen, ob man denn zB. genug isst. Bleibt aber trotz dieser gesteigerten sogenannten NEAT (non exercise thermogenic activity) am Ende des Tages immer noch Energie übrig, dann gibt der Körper sie eben für Entzündung aus. Entzündung frisst viel Energie und Menschen die zB. angeborene, entzündliche Autoimmunerkrankungen haben, haben auch oft ein Problem mit Untergewicht. Diese Kinder sind zB in der Regel kleiner als ihre gleichaltrigen Kollegen, weil das Immunsystem so viel Energie für sich beansprucht. Das Feuer verbrennt die Substanz, Pitta verbraucht Kapha. Hier sei kurz erwähnt, dass das Immunsystem selbt zu Ojas gehört und das wiederum gehört zu Kapha. Lediglich die gesteigerte Aktivität des Immunsystems ist auf Pitta und Vata zurückzuführen.
5. die schaltzentrale des stoffwechsels.
Wenn unsere Versorgung aber nun eingeschränkt ist, zB wenn wir zu wenig essen, dann brauchen wir Stück für Stück unser Brennmaterial auf. Was machen wir in mageren Zeiten, wenn wir nur wenig Holz übrighaben? Wir machen den Ofen weniger oft an. Das heißt, wir sparen: an Mimik, an Gestik, an Bewegungslust und an Wärmeproduktion.
Biologisch betrachtet wird unser Energieverbrauch von der Schilddrüse bestimmt. Die Schilddrüse ist ein sehr zentrales Organ, denn sie bestimmt den Stoffwechsel in JEDER EINZELNEN ZELLE. Deswegen wirken sich Erkrankungen der Schilddrüse auch so allumfassend auf den Körper aus. Ist die Schilddrüse erkrankt kann daraus eine Über- oder eine Unterfunktion entstehen. Bei einer Hyperthyreose, einer Überfunktion, ist der Energieumsatz zu hoch und diese Menschen verlieren schnell Gewicht und können es oft nicht halten. Sie reden zB auch zu schnell und können schwer zu Ruhe kommen. Bei einer Hypothyreose verlangsamt sich der Stoffwechsel und diese Menschen legen oft an Gewicht zu, obwohl sie nicht mehr essen. Außerdem werden sie müde und mitunter sogar depressiv, weil auch der Stoffwechsel des Gehirns von der Unterfunktion betroffen ist. Diesen Mechanismus hat der Forscher Herman Pontzer detailliert untersucht und die Theorie des eingeschränkten Energiestoffwechsels aufgestellt (s. Abbildung). Sie besagt, dass sich unser Verbrauch immer an Energiezufuhr und -ausgaben richtet und nicht linear steigt und sinkt. Nur mit Kalorien rein-Kalorien raus können wir also kein Gewichtsmangement betreiben.
Die Schilddrüse ihrerseits wird über den Hypothalamus gesteuert. Der Hypothalamus ist ein kleiner, aber sehr wichtiger Teil unseres Gehirns und ist unter anderem verantwortlich für die übergeordnete Steuerung des Stoffwechsels. Er ist also gewissermaßen die Schaltzentrale und sagt der Schilddrüse, was sie tun soll.
Der Hypothalamus ist immer genau darüber informiert, wieviele Reserven wir haben. Er misst einen Botenstoff namens Leptin, der vom Fettgewebe abgesondert wird und proportional zur Menge Fettgewebe ist. Man hat das noch nicht genau verstanden, aber es scheint einen individuellen Leptinspiegel für jeden zu geben, den der Hypothalamus auch gerne sehen möchte. Machen wir also eine Crash-Diät und nehmen etwas Fett ab, dann weiß der Hypothalamus davon. In der Folge steigert er Appetit und etwas, dass sich food seeking behavior nennt. Auf deutsch: wir suchen dann essen, machen nachts den Kühlschrank auf und suchen die alte Schokolade, die wir irgendwo mal im Auto vergessen haben. Außerdem hemmt er die Lust auf Bewegung, die nichts mit Essensuchen zu tun hat. Keine Lust mehr sich zu verabreden, vielleicht das Gefühl der Überforderung, wenn wir mit anderen sprechen müssen. Es wird sogar an Energie gespart, die den Darm bewegt und wir bekommen Verstopfung. Was der Hypothalamus dann um jeden Preis verhindern will, ist dass wir noch mehr ausgeben. Er stellt die Wärmeproduktion ein und verhindert, dass der Körper sich weiter an den Fettreserven bedient.
6. hello, jojo-effekt!.
Es tritt das Paradox ein, dass ein Mensch trotzdem er wenig isst, nicht mehr abnimmt oder vielleicht sogar zunimmt. In diesem Vorgang irgendwann sinkt die Sensitivität des Hypothalamus für Leptin. Das heißt, der Leptinspiegel, der vorher für Stoffwechselbalance ausgereicht hat, tut dies nun nicht mehr. Um den Stoffwechsel wieder anzuschmeißen, muss also mehr Leptin her und weil mehr Leptin nur durch mehr Fettgewebe entsteht, sorgt der Hypothalamus so lange dafür, dass wir mehr essen und/oder uns weniger bewegen, bis das Leptinsignal wieder ausreichend hoch ist. Sicherheitshalber sorgt er auch dafür, dass wir diesmal etwas mehr Fettreserven haben, damit wir die nächste Nahrungsverknappung gut überstehen. Hello, Jojo-Effekt.
Man spricht auch davon, dass der Weight Set Point erhöht wurde. Es scheint also so, dass es ein individuelles Gewicht für jeden gibt, welches der Hypothalamus als krisensicher einstuft und dass er auch nur äußerst ungern verändert. Gab es dann eine Krise, erhöht sich der Weight Set Point. Das muss nicht immer eine Nahrungskrise sein, auch Stress jeglicher Form kann einen ähnlichen Effekt haben. Im Übrigen passiert das auch in die andere Richtung. Wenn wir zB an Weihnachten zu viele Plätzchen gegessen haben, dann wollen wir uns zum Neujahresanfang wieder mehr bewegen und weniger essen. Ein Umstand, denn uns die Fitness- und Diätindustrie jedes Jahr aufs Neue verkaufen möchte und der eigentlich unserer eigenen Biologie entspringt.
7. dein essverhalten ist nicht die eigentliche ursache für übergewicht.
Manchmal oder eigentlich sehr oft, sollte ich sagen, ist unser Essverhalten gar nicht die eigentliche Ursache eines erhöhten Gewichts. Gesteigertes Essverhalten ist vielmehr ein Symptom und die Gründe dafür sind vielfältig. Vom persönlichen, emotionalen oder körperlichen Trauma bis hin zu gesellschaftlichem Druck oder er Verfügbarkeit von schmackhafter, verarbeiteter Nahrung ist alles dabei. Bei fast jedem Menschen mit Übergewicht liegt eine Insulinresistenz zugrunde und nicht das Übergewicht hat Insulinresistenz verursacht.
Ja, Insulinresistenz kann auch durch zu viel Zucker entstehen, aber ganz sicher ist das noch nicht. Insulinresistenz ist zunächst einmal und vor allem ein evolutionärer Mechanismus, um uns vor dem Verhungern zu schützen. Insulin ist dafür verantwortlich, dass Glucose, also Zucker, als Energie in unsere Zellen transportiert wird. Dafür hat jede Zelle einen eine spezielle Andockstelle, den Insulinrezeptor. Essen wir, gelangen Aminosäuren, Kohlehydrate und Fette in unser Blut. Als Antwort darauf schüttet der Pankreas (die Bauchspeichedrüse) Insulin aus, damit es an den Insulinrezeptor bindet und sozusagen die Türen an den Zellen für Glucose aufmacht. Das heißt die aufgenommene Energie kann verbraucht werden. Wenn es jetzt aber längere Zeit nichts zu essen gibt, was ja in Neolithikum und Bronzezeit mal öfter vorgekommen ist, wäre es ungünstig gewesen, wenn wir das bisschen Energie, was wir gespeichert haben, in den Zellen verpulvert hätten. Also hat die Evolution sich gedacht, sie erfinde einen Mechanismus, bei dem Insulin zwar ausgeschüttet wird, aber von den Zellen nicht erkannt wird, der sie resistent gegenüber dem Insulinsignal macht. Voilà, Insulinresistenz (S. Bild, James et al. Nature 2021).
Es handelt sich hier also nicht um einen Mechanismus, der nur dicke Menschen betrifft, sondern auch bei jahrelangem unterkalorischen essen und Magersucht auftritt und zB zu einer sogenannten nicht-alkoholischen Fettleber führt. Hierbei wird die wenige verfügbare Energie nämlich direkt als Fett in der Leber eingelagert, etwas, das leider nicht sehr vorteilhaft ist hinsichtlich des Risikos für verschiedenste Erkrankungen.
Der zweite Mechanismus, der zu Insulinresistenz führen kann, beruht aber tatsächlich darauf, dass zu viel Glucose im Blut herumschwimmt. Wenn wir ständig mehr essen, als wir brauchen und das im Übrigen nicht nur Kohlehydrate, sondern auch Fette und Proteine, schüttet die Bauchspeicheldrüse fleißig Insulin aus. Insulin scheint aber auch die Andockstellen für Leptin im Hypothalamus zu stören, so dass dieser den Leptinspiegel nicht mehr messen kann, bzw. glaubt, es wäre zu wenig Leptin und damit zu wenig Fettreserve da. Trotzdem das also gar nicht notwendig wäre, erhöht der Hypothalamus den Appetit und senkt die Bewegungsmotivation. Diesem Mechanismus kann man aber noch bis zu einem bestimmten Grad rückgängig machen, indem man sich wieder ausreichend bewegt und weniger isst. Wäre es allerdings so einfach, würde das ja auch insgesamt besser funktionieren. Gemessen an der langfristigen Erfolgsquote einer solchen Herangehensweise, scheint das aber nicht der Schlüssel zu sein.
Fasten ist Stress für den Körper. Und an dieser Stelle möchte ich betonen, dass Fasten durchaus ein großartiges Tool sein kann und viel Potential hat. Allerdings rate ich davon ab einfach so darauf loszufasten, schon gar nicht, wenn einem der innere Kritiker sagt, man sei zu dick, wenn das gar nicht stimmt. Das Gehirn kann nämlich nicht unterscheiden, ob der Stress, welchen wir haben durch eine tatsächliche biologische Bedrohung entstanden ist, oder einfach nur in unserem Kopf. Auch gibt es möglicherweise keine Differenzierung zwischen traumatischem, psychischem und metabolischem Stress. Stress ist erst mal Stress und Stress macht? Insulinresistenz.
8. übergewicht, nur eine störung des kaphas?.
Vor diesem Hintergrund will ich noch einmal einen Bogen zum Ayurveda schlagen. Es ist leicht und verlockend zu sagen Übergewicht wäre eine reine Kaphastörung. Das würde aber bedeuten, dass jemand einfach nur gerne und viel isst und deshalb zugenommen hat. Solche Leute finden sich aber nur sehr wenige, bzw. muss ich gestehen, dass ich keine Personen kenne, die nur aus reiner Gemütlichkeit zugenommen haben. Es handelt sich hier also nicht einfach nur um eine Akkumulation von Kapha. Vielmehr wird Stress durch Vata repräsentiert: Chaos, keine Struktur, keine Sicherheit, keine Sinnlichkeit, Stress. Vata repräsentiert u.a. das vegetative Nervensystem und die Bewegung. Bewegen wir uns nicht genug, steckt Vata quasi im Körper fest und treibt sein Unwesen. Der Wind bläst ins Feuer und verbrennt das ganze Holz. Das Einzige, was hilft ist also nachlegen. Wir legen also immer mehr Holz ins Feuer, damit es weiter brennt. Und irgendwann haben wir das trockene und gute Holz aufgebraucht und müssen das nehmen, was feucht geworden ist. Das Feuer raucht und geht vielleicht sogar fast aus.
In einem anderen Bild gesprochen, verursacht Vata einen Sturm und der Körper legt Kapha zu, um nicht wegzufliegen. Hier war also die erste Ursache des Übergewichts eine Vatastörung, die ein Kaphaungleichgewicht verursacht hat. Empfehlen wir so einer Person dann Kapha reduzierende Maßnahmen (zB. Kalorienrestriktion, Intervalltraining) tun wir ihr möglicherweise nichts Gutes, da wir das System weiter in Stress versetzen. Trotzdem aber muss diese Person Gewicht verlieren, denn bei chronischer Entzündung verstehen wir keinen Spaß, wie oben bereits erwähnt. In diesem Fall aber wäre der Schlüssel solche Maßnahmen zu wählen, die am wenigsten extrem sind, wie zB ein mildes Kaloriendefizit und zwar viel, aber vor allem moderate Bewegung. Der Ayurveda kennt keine Kalorien, aber er kennt zB Portionsgröße, die sich wissenschaftlich als effektives Tool in „portion size control“ wiederfinden. Und der Ayurveda kennt Stressmanagement, Yoga und Meditation. Er empfiehlt auch Sport und auch Krafttraining, wenn bewusst ausgeführt, findet hier seinen Platz.
9. "rest and digest" vs. "fight or flight".
Wenn wir mit diesem Verständnis auf Übergewicht schauen, lohnt sich außerdem ein genauer Blick auf das vegetative Nervensystem. Der Teil des vegetativen Nervensystems, der unser Überleben sichert, wenn wir in Gefahr sind, nennt sich Sympathikus. Steht der Säbelzahntiger vor uns, wollen wir uns nicht ausruhen, sondern alle Energiereserven mobilisieren und fliehen. Das ist gewissermaßen unsere Stressantwort. Ist sie kurz und tatsächlich dafür da, um zu fliehen oder zu kämpfen, finden wir nach dieser Anstrengung wieder zu Ruhe und unser Körper kann eventuelle Schäden reparieren und Energiereserven aufladen. Etwas das wir mit einer intensiven Sporteiheit simulieren können und das sich positiv auswirkt. Aufgrund dieser Aufgaben nennt sich dieser Modus auch „fight or flight“ – Kampf oder Flucht.
In unserem modernen Leben sind wir allerdings oft chronisch in deinem Fight-or-flight-Modus, oft sogar so chronisch, dass wir es als unsere Normalität wahrnehmen, ständig in Eile zu sein und wenig zu ruhen. Kommt zu gesellschaftlichem, umweltbedingtem und beruflichem Stress auch noch eine traumatische Geschichte kann man diesen Zustand schon als Sympathikus-Katastrophe bezeichnen. Auch wenn unser Körper und unser Gehirn hier gerade etwas unintelligent daherkommen, so sind sie es eigentlich gar nicht. Alles, was sie wollen, ist uns am Leben zu erhalten. Ein übermäßig und chronisch aktivierter Sympathikus provoziert daher zum Ausgleich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Ausbrüche des Parasympathikus.
Dieser beruhigende Teil des vegetativen Nervensystems heißt auch „rest and digest“. Wie der Name schon sagt, wird er unter anderem aktiv, wenn wir gegessen haben. Essen als Stressbewältigung ist also ein vollkommen logischer Mechanismus, denn unser System ist immer auf Balance bedacht (vgl auch: Polyvagaltheorie nach S. Porges). Sind wir zu lange und ständig überaktiv, versucht unser Gehirn uns mit essen in einen parasympathischen Zustand zu bringen. Extreme Zustände erfordern also extreme Maßnahmen. Personen, die davon betroffen sind, brauchen also kein stressiges HIIT und Fasten, denn sie würden sich damit nur noch in mehr Stress versetzen und das Problem möglicherweise verschlimmern. Viel wirksamer wären hier Maßnahmen zur Stressreduktion, Verständnis und Aufarbeitung, ausreichend Schlaf, Licht und Luft.
10. wir brauchen ein sensibleres verständnis der ursachen von übergewicht.
Ein Blick in verschiedene Disziplinen und in die Funktionsweisen deines Körpers und deines Geistes. Ich tue das mit Hingabe und aus tiefsten Herzen. Gibt es dafür einen Beweis? Wahrscheinlich nicht. Aber in letzter Instanz zählt nicht wer was gesagt hat, sondern was du daraus gemacht hast und das was bleibt. Und wenn meine Texte, Yogastunden und Coachings auch nur ein winzig kleines Stückchen dazu beigetragen haben, dass etwas in deinem Kopf passiert ist, dann ist es das, warum ich hier bin. Lass uns gemeinsam mutig sein, starre Konzepte loslassen und Dinge ausprobieren, wieder verwerfen oder für immer in unser Leben integrieren. Du musst nicht für immer diese eine Person bleiben, die nur diese bestimmten Dinge auf diese Weise machst. Du darfst dich irren und das auch noch zugeben. Dein Bild von dir wird sich immer wieder neu formen, deshalb gibt es bei der Yogapraxis auch kein Ende oder ein Fertig. In jeder Millisekunde ändern sich die Parameter deiner Biologie, Konzentrationen von Molekülen und Gedanken und es schießen elektrische Ladungen durch deine Nervenbahnen. Deine Physiologie ist kein trocknenes Diagramm mit grauen Pfeilen! Es ist ein spannender Prozess voll Explosionen, Schnelligkeit und atemberaubender Komplexität. Und an all dem kannst du teilhaben, wenn du einatmest und wenn du ausatmest.
Namasté, ich sehe das Licht in dir und all deine Moleküle.
Comentarios