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nicht die bohne?

Warum du dich mehr als die Bohne für Bohnen interessieren solltest.


Bildquelle: Canva


pupsen, kommunikation und unterhaltung in der steinzeit?


Vor anderen Puspen zu müssen ist uns ja eher unangenehm. Dabei ist es etwas vollkommen Natürliches. Irgendwann jedoch ist es zu etwas geworden, das gesellschaftlich inakzeptabel ist und das insbesondere für Frauen. Während man Männern und Jungs i.d.R. zu einem lauten Furz noch gratuliert oder sie damit schamlose Späße machen dürfen (jeder kennt diesen einen Onkel oder Opa, den man mal am kleinen Finger ziehen sollte…), furzen Frauen einfach nicht. Sie halten meistens ein oder schämen sich in Grund und Boden, sollte ihnen doch mal ein riechender Wind entweichen. Man kommt nicht umhin, auch Fürze zu den Dingen zuzuordnen, die am weiblichen Körper ungehörig sind. Intime Gerüche sind ja sowieso ein heikles Thema.

Ich stelle mir manchmal vor, dass Pupsen so etwas wie das Unterhaltungsprogramm der frühen Menschen gewesen sein mag. Vielleicht haben sie zusammen gesessen und haben anerkennend genickt, wenn einer oder eine von ihnen ordentlich die Backen hat flattern lassen. Oder sie sind vor Lachen von ihrem Baumstamm gefallen angesichts eines respektablen Furzes. Vielleicht haben sie auch, ganz ähnlich wie andere Tiere, am Geruch ihrer Darmgase ihre Gesundheit irgendwie überprüfen können. Ganz ähnlich vielleicht, wie Affen den Geruch ihres Afters überprüfen und Hunde sich gegenseitig am Hintern schnüffeln. Jedenfalls glaube ich, dass auch Menschen den Geruch und die Beschaffenheit ihres Stuhlgangs ursprünglich sehr viel unverkrampfter und vielleicht sogar als nützliche Informationsquelle betrachtet haben. Auch der Ayurveda z.B verwendet ja durchaus eine visuelle Stuhldiagnose oder das Vorkommen von Blähungen und Flatulenz in seiner Diagnostik, weil es nicht ganz unwichtig zu sein scheint.

 

unser problematische verhältnis zu unseren körperreaktionen


Wir modernen Menschen hingegen haben sogar unsere Toiletten derart konzipiert, dass wir Geruch und Anblick unserer Darmprodukte so wenig wie möglich wahrnehmen müssen. Von ehemals Flachbettspüler haben sich unsere Toiletten in Tiefspüler entwickelt, bei denen alles, was uns verlässt, direkt unter Wasser verschwindet. Aus den Augen, aus dem Sinn. Wir verspüren einfach kleinen Wunsch, nochmal einen Blick auf die Form und Farbe unseres Stuhls zu werfen und den Geruch zu prüfen. Kacke ist etwas Ekliges. Unser Darm ist für viele Menschen etwas Ekliges. So ekelig, dass man auch nicht gerne darüber sprechen möchte. Ja, wir schämen uns sogar vor uns selbst, wenn niemand anders sonst uns beim großen Geschäft Gesellschaft leistet. Also nur, bis wir Kinder bekommen, natürlich. Ab da muss man sich mit diesem Thema nochmal ganz anders auseinandersetzen. Aber das würde jetzt hier den Rahmen sprengen. 

Pupsen ist jedenfalls eher etwas Peinliches oder zumindest nur etwas, das andere machen. Vermehrte Gasentwicklung nach bestimmten Speisen wird sogar oft als etwas gesundheitlich Problematisches wahrgenommen. Heute fühlt sich jeder, dessen Bauch sich auch nur ein bisschen bläht, gleich krank und Frauen fühlen sich natürlich gleich zu dick. Und weil Blähungen und vermehrtes Pupsen so unangenehm sind, vermeiden wir auch zunehmend Speisen, die dies vorübergehend oder natürlicherweise verursachen. Und ja: Blähungen können schmerzhaft sein, auch nicht zuletzt, weil sie oft mit Verstopfung einhergehen, und das sollte natürlich nicht sein. Ab und zu mal zu pupsen allerdings, ist vollkommen normal.  Nur wer will schon genüsslich einen fahren lassen, wenn danach alle im Umkreis erstmal Atemnot haben, weil es so stinkt? Die Angst, aus der Gruppe verstoßen zu werden, ist groß und so klemmen wir lieber die Backen zusammen und nehmen Bauchschmerzen in Kauf und vermeiden beim nächsten Mal lieber die Böhnchen mit den Tönchen. Jedenfalls haben wir passenderweise mit “jedes Böhnchen gibt ein Tönchen” auch gleich eine Ausrede parat, die es rechtfertigt, auf ein ziemlich wertvolles Lebensmittel zu verzichten. Wie wertvoll, sollte den Leser:innen im Weiteren klar werden.


ballaststoffe, so viel braucht der mensch


Frühe Menschen haben wahrscheinlich täglich etwa das Doppelte oder Dreifache an der empfohlenen Dosis für Ballaststoffe (etwa 30g - 35g) zu sich genommen. Unsere frühe Nahrung bestand also zwar durchaus auch aus tierischen Produkten, aber zu einem wesentlichen Anteil auch aus Pflanzen. Und da die Pflanzen, die wir als Frühmenschen verzehrt haben, sehr viel faseriger waren als unser Gemüse heute, haben sie uns auch mehr Ballaststoffe geliefert. In Deutschland nehmen wir im Durchschnitt pro Tag nur etwa 18-19 g statt der empfohlenen 30-35 g Ballaststoffe auf, entschieden zu wenig also. Eine ballaststoffreiche Ernährung, so wissen wir heute, ist aber sozusagen nicht weniger, als das A und O für unsere Gesundheit. Man kann tatsächlich über alles in der Ernährung diskutieren, aber an Ballaststoffen kommt man nicht vorbei. Also, man kommt schon daran vorbei, wenn man z.B. hauptsächlich verarbeitete Lebensmittel und Produkte aus Tieren oder tierischen Ursprungs verzehrt. Fleisch, Milch, Eier und Co. enthalten nämlich genau null Ballaststoffe, was der Hauptgrund dafür ist, dass eine carnivore oder ketogene Ernährung extrem kritisch zu betrachten ist. Dabei ist es wahrscheinlich sogar so, dass selbst eine fleischlastige Ernährung bei ausreichenden Ballaststoffen weniger risikoreich zu sein scheint. Ich für meinen Teil aber bleibe beim Verzicht auf rotes Fleisch. Wenn ich etwas in seiner Wirkung immer ausgleichen muss, um nicht langfristig kränker davon zu werden, dann kann ich es ja auch weglassen.


diäten und ballaststoffe, keine gute kombination


Auch Fasten oder intermittierendes Fasten oder extrem unterkalorische Diäten und Ernährungsformen führen dauerhaft vor allem dazu, dass wir nicht ausreichend Ballaststoffe zu uns nehmen. Bei etwa 35g, die wir pro Tag von diesem überaus wichtigen Nährstoff aufnehmen sollen, ist es sehr viel einfacher, dies auf drei oder vier, anstatt auf zwei oder gar nur eine Mahlzeit zu verteilen. Wir modernen Menschen sind nämlich im Darm oft zu zart besaitet, um so große Mengen Ballaststoffe auf einmal aufzunehmen oder wir sind nicht bereit, die Folgen wie Pupsen und Blähungen in Kauf zu nehmen. Dabei muss man sagen, dass es zwar bei Steigerung der Ballaststoffe zunächst zu einer Anpassungsphase kommen kann, bei der man sich aufgeblähter oder flatulenter fühlt. Bleibt man aber tapfer und führt die entsprechenden Lebensmittel nach und nach in die Ernährung ein, gewöhnen sich der Darm und das Mikrobiom daran. Denn hier ist der springende Punkt: esse ich eher wenig Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide, habe ich auch nicht genug der entsprechenden Bakterien, um sie zu verdauen. Außerdem kann die glatte Muskulatur des Darms zunächst nicht stark genug sein,  um unlösliche Ballaststoffe vorwärts zu bewegen, etwas, das wir Peristaltik nennen. Ballaststoffe sind also ein Krafttraining für den Darm und wie bei jedem Training muss man auch hier vorsichtig einsteigen. Ist man aber einmal gut im Training und trinkt ausreichend Flüssigkeit dazu, dann fluppt es und so ist das auch im Darm mit den Ballaststoffen. 


Blähungen können schmerzhaft sein. Bildquelle: Canva


wann ballaststoffe schwierig sein können


Was allerdings die Aufnahme von Ballaststoffen erschwert, sind psychische Erkrankungen wie PTSD oder Burnout oder Essstörungen wie Anorexie. In diesen Fällen braucht vor allem das vegetative Nervensystem schnell verfügbare Energie. In eine ballaststoffreiche Vollkornpasta oder Bohnen muss erst mal aufgrund des sog. erhöhten thermischen Effekts ballaststoffreicher Nahrung Energie investiert werden, um Energie zu gewinnen, was möglicherweise zu viel vegetativen Stress verursachen kann oder zumindest wenig zu seiner Linderung beiträgt. Auch kann je nach Schwere so einer Erkrankung die Verdauung deutlich und bleibend beeinträchtig sein. Außerdem kann der mitunter sehr hohe Energiebedarf in der Anorexie-Recovery möglicherweise nicht gedeckt werden, wenn durch Ballaststoffe eine vorzeitige Sättigung erreicht wird. Hier muss man also im Einzelfall stark differenzieren und abwägen zwischen allgemeinen Benefit von ballaststoffreicher Kost und dem tatsächlichen Bedarf der Betroffenen. Im Einzelfall müssen hier verschiedene Nahrungsmittel ausprobiert werden. Klingt nicht sehr wissenschaftlich, ist aber oft der einzige Weg in der Praxis. 

Auch Menschen mit einem Reizdarmsyndrom können Schwierigkeiten mit Ballaststoffen haben. Einzelne Lebensmittel oder Ergänzungen wie Flohsamenschalen können hier gut vertragen werden und sollten unbedingt integriert werden. Reizdarmsyndrom als solches erhöht das Risiko für Darmkrebs und weitere entzündliche Darmerkrankungen. Ein Verzicht auf ballaststoffreiche Lebensmittel erhöht dieses Risiko zusätzlich. Hier muss immer eine Abwägung zwischen Lebensqualität und Sinn einer Ernährungsinterventionen mit Ballaststoffen stattfinden. Darüberhinaus muss man sagen, dass echte Unverträglichkeiten oder gar Allergien gegen Ballaststoffe äußerst selten sind und die meisten Menschen in einer geblindeten Überprüfung keinerlei Symptome verspüren. Genausowenig kann in solchen Fällen eine Aktivierung des Immunsystems festgestellt werden. Was wir über unser Essen denken, ist also möglicherweise nicht ganz unwichtig, das gilt auch über das vielfach verteufelte Gluten. Dazu haben Dominik und ich einen Podcast aufgenommen. Hör gerne mal rein.


was sind ballaststoffe eigentlich?


Wir unterscheiden lösliche und unlösliche Ballaststoffe und im Wesentlichen handelt es sich dabei tatsächlich um Kohlenhydrate, die zwar für uns größtenteils unverdaulich sind, aber nicht für unsere Mikroben im Darm. Die unlöslichen Ballaststoffe quellen im Darm auf, bilden Gele und regen die Peristaltik an. Außerdem binden sie Gallensäure im Darm, so dass sie ausgeschieden werden kann. Wenn der Körper dann neue Gallensäure bilden muss, bedient er sich am Cholesterin und darin liegt das Geheimnis, warum Ballaststoffe sich sehr günstig bei hohem LDL-Cholesterin auswirken können. Sie binden es und scheiden es aus, wie eine zuverlässige Müllentsorgung. 

Außerdem handelt es sich bei Ballaststoffen um äußerst wirksame Präbiotika, also um Futter für unsere Darmbakterien. Ernährungsinterventionen mit präbiotischer Nahrung, was nicht anderes bedeutet, als dass eine ballaststoffreiche, pflanzliche Ernährung verwendet wird, stellen alle Interventionen mit Probiotika in den Schatten. Tatsächlich gibt es wenig Hinweise, dass probiotische Darmkuren das Mikrobiom positiv und dauerhaft beeinflussen können. Ausreichend große epidemiologische Studien, die zeigen dass Präbiotika also vollwertige Lebensmittel die Diversität des Mikrobioms nachhaltig steigern und sich positiv auf die Gesundheit auswirken, gibt es allerdings zu genüge: Menschen, die mehr Obst und Gemüse, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte essen, leben gesünder und das länger. 


was ist ein gesundes mikrobiom?


Wir können heute davon ausgehen, dass ein diverses Mikrobiom ein gesundes Mikrobiom darstellt. Wie genau es allerdings in seiner Zusammensetzung dann wiederum sein sollte, darüber können wir heute noch wenig sagen. Zwar wissen wir, dass gewisse Bakterienstämme sich positiv auf die Gesundheit auswirken, während andere Bakterienstämme eher mit einem negativen Outcome assoziiert werden. Über die genaue Verteilung und Anzahl der Bakterienstämme unseres Mikrobioms brauchen wir noch viele weitere Studien und Untersuchungen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass frei verfügbare Tests des Darmmikrobioms nur herzlich wenig wissenschaftliches Backup haben. Man kann von zehn Anbietern solcher Tests zehn verschiedene Ergebnisse erhalten. Aus diesen ominösen Ergebnissen werden dann lediglich für die Anbieter lukrative probiotische Darmkuren verkauft, die aber, wie bereits erwähnt, in den meisten Fällen weitestgehend nutzlos sind. Wirkungsvoller ist es in jedem Fall, den Bakterien ausreichend und regelmäßig das entsprechende Futter anzubieten.


die gartenbohne als ballaststoff-heroin


Jetzt können wir natürlich viel darüber diskutieren, welche Lebensmittel genau welche Bakterienstämme füttern. Es gibt außerdem einzelne, isolierte Ballaststoffe zu kaufen, die bestimmte Bakterienstämme ernähren sollen, allerdings gibt es auch hier wenig Studien und Hinweise, dass dies ein zielführendes Vorgehen ist. Was wir aber wissen ist, dass Ernährungsstudien mit vollwertigen Lebensmitteln durchaus eine große Wirksamkeit beschreiben. Im Rahmen solcher Studien hat sich ein kleines, sehr unscheinbares Lebensmittel in der letzten Zeit durchaus etabliert und es zu einiger Bekanntheit und Beliebtheit in der Medizin gebracht. Es ist von keiner Geringeren die Rede als von Phaseolus vulgaris, der gemeinen Gartenbohne, die wir vielleicht auch als Fagioli kennen oder als kleine weiße Bohnen in verschiedenen Gerichten aus der südeuropäischen Hausmannskost. Wir kennen sie bei uns vor allem als grüne Bohne, Prinzessbohnen oder Speckbohne, also eher in ihrer frischen grünen Form. In der ist sie zwar auch gesund, aber ihre getrocknete und dann gekochte Version schlägt die grüne Bohne um Längen. Grüne Bohnen sollten aufgrund ihres Gehalts an Phasin immer gekocht werden. Phasin kann eine Aggregation, also ein Zusammenkleben der roten Blutzellen, bewirken und so die Fließgeschwindigkeit des Blutes und die Gerinnung negativ beeinflussen. Beim  Erhitzen und Trocknen wird das Phasin zerstört.


bohnen sin ein sehr ursprüngliches lebensmittel


Phaseolos vulgaris ist südamerikanischen Ursprungs. Dort wird die Bohne seit etwa über 8000 Jahren kultiviert, so dass man annehmen kann, dass der Anbau von Bohnen ein wesentlicher Teil der Ackerrevolution in diesem Teil der Erde gewesen sein muss.  Nun wird der Ackerrevolution in der Regel nachgesagt, dass sie sich im Grunde wenig positiv auf die Ernährung von Menschen ausgewirkt hat, denn durch den Anbau von Getreide und Hülsenfrüchten haben Menschen zu dieser Zeit durchaus begonnen sich einseitiger zu ernähren. Aus verschiedenen Erhebungen können wir annehmen, dass z.B die Knochendichte von Menschen in der Ackerrevolution abgenommen hat und dies ist durchaus auf eine Form der Mangelernährung zurückzuführen. Ob es an allgemeinen Hungersnöten lag oder an Getreide und Hülsenfrüchten? Wir wissen es nicht. Möglicherweise war die Ernährung der Ackerbauern gar nicht so schlecht, barg sie doch z.B. ein viel geringeres Risiko an Infektionskrankheiten durch verdorbenes Fleisch zu sterben. Wir können jedenfalls davon ausgehen, dass die frühen Menschen noch nicht so viel Wissen und Ahnung hatten, wie eine gesunde Ernährung tatsächlich aussieht. Eine gesunde Ernährung lebt von der Diversität ihrer pflanzlichen und tierischen Bestandteile genauso wie das Mikrobiom. Genau das beginnen wir seit einigen Jahren in der Ernährungsmedizin zu verstehen, ob es um entzündliche Darmerkrankungen geht, um Herzkreislauferkrankungen, Alzheimer und Demenz oder Krebs oder einfach darum, möglichst lange möglichst gesund zu bleiben. 


wie die bohnen zu uns kamen


Hülsenfrüchte waren bereits im alten Ägypten ein wesentlicher Bestandteil der Ernährung. Hülsenfrüchte wurden schon früh als Brei verzehrt, so dass wir annehmen können, dass so etwas wie Hummus zu den ältesten Gerichten der Menschen gehört. Aufgrund ihrer Liebe zur Wärme haben Hülsenfrüchte aus dem Süden sich allerdings nur langsam nach Norden verbreitet. Jedenfalls haben nach derzeitigem Wissensstand die Wikinger im 5. Jahrhundert noch keine Hülsenfrüchte kultiviert. Erst als die weiße Bohne mit Christopher Columbus nach Europa kam, breitete sie sich recht schnell erst in England und Spanien aus und kam dann schließlich auch zu uns. Im 16 Jahrhundert verdrängte die weiße Bohne die heimischen Sorten, die ab da überwiegend als Tierfutter oder Dünger genutzt wurden. Vielleicht auch deshalb haben Bohnen als solches eher einen Ruf als Arme-Leute Essen. Jedenfalls wurden Hülsenfrüchte auch ziemlich lange von der Pflanzenzüchtung vernachlässigt und nicht weiterentwickelt, so dass es weniger regelmäßig Trendarten gab, die sich als neues Superfood bewerben ließen. Die Bohne ist bescheiden und konservativ. 

Ich kann mich auch nur an Bohnensalat im Sommer erinnern, ansonsten gab es bei uns zu Hause kaum Bohnen oder Linsen und Kichererbsen habe ich erst sehr viel später nach meinem Auszug kennengelernt. “Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen” war auch bei uns zu Hause die Entschuldigung. Als ich dann in meinen frühen Zwanzigern (dass ich das mal schreiben würde…ich klinge so alt) anfing mich intensiv mit gesunder Ernährung zu beschäftigen und auch Bohnen für mich entdeckte, war es ein windiger Anfang. Es war jedenfalls auch keine Liebe auf den ersten Blick. Ich musste mich langsam gewöhnen und für die mir bis dahin weitestgehend unbekannten Kichererbsen habe ich bestimmt am längsten gebraucht. Der Schlüssel war jedenfalls nicht, es nur alle vier Wochen wieder zu versuchen, sondern täglich. In den letzten Monaten habe ich meinen Hülsenfrüchte-Intake nochmal deutlich erhöht. Inzwischen esse ich an manchen Tagen über 300g Hülsenfrüchte, ohne davon Blähungen zu bekommen. Morgens, mittags, abends. Ich möchte sogar fast behaupten, dass ich mittlerweile Blähungen nur dann bekomme, wenn ich keine Bohnen und eher ballaststoffarm gegessen habe.

Ich mag die Gartenbohnen nicht nur, weil sie unheimlich vielseitig, weil geschmacksneutral sind, sondern auch, weil ich ein Auge auf meine Darmgesundheit geworfen habe. In unserer Familie gibt es durchaus Fälle von Darmkrebs und seinen Vorstufen und wenn ich kann, möchte ich gerne alles dafür tun, mein Risiko zu minimieren. Die Bohne ist dafür genau das richtige Mittel, ohne an Genuss und Lebensqualität einbüßen zu müssen.



Christopher Columbus entdeckte nicht nur den Seeweg nach Amerika, sondern möglicherweise auch die Gartenbohne. Bildquelle: Canva


die wissenschaft der bohne


Das sogenannte BE GONE (Beans to Enrich the Gut microbiome vs. Obesity’s Negative Effects) Study Trial Protokoll beinhaltet, dass Proband:innen eine bestimmte Menge an Bohnen zusätzlich zu ihrer täglichen Ernährung integrieren, um bestimmte Gesundheitsmarker zu verbessern. Wohlgemerkt: Zusätzlich müssen sie ansonsten keine besonderen Ernährungsempfehlungen einhalten. In einer kürzlich veröffentlichten Studie mit eben diesem Design wurden übergewichtige Patient:innen mit bestätigter Vorgeschichte an Darmkrebs oder Darmpolypen (eine Vorstufe von Darmkrebs) instruiert, täglich eine Tasse (sie bekamen dafür einen bestimmten Messbehälter) weiße Bohnen in ihre Ernährung zu integrieren. Mehr nicht. Fast 90% aller Proband:innen haben das Studienprotokoll beendet, was eine sehr gute Adherence darstellt, was so viel bedeutet: Dranbleiben war bei dieser Ernährungsintervention vergleichsweise leicht, sonst hätten es nicht so viele durchgezogen. Das ist ein wichtiger Punkt an der Studie: Ernährungsinterventionen für Übergewicht, Darmkrebs usw. scheitern oft daran, dass sie im Alltag für viele nicht nachhaltig umsetzbar sind. Also 90% der Probandinnen haben sich zu 80% an das Protokoll gehalten und nur 33% berichteten von Flatulenz oder Blähungen. Dabei erreichten die Proband:innen teilweise wohlgemerkt noch nicht mal die empfohlene Tagesmenge an Ballaststoffen (14g/1000kcal Nahrung), trotzdem die Ergebnisse der Studie  bemerkenswert sind und die durchaus als mild zu beschreibenden Nebenwirkungen absolut verschmerzbar macht. Aufgrund der eher mangelhaften Grundernährung der Proband:innen konnte allerdings kein Effekt auf das LDL-Cholesterin beobachtet werden. Um seinen Stoffwechsel zu optimieren, reicht es also vermutlich nicht, zu seinen Pommes ein paar Bohnen zu essen. An dieser Studie besonders war, dass Bakterien, die mit verschiedenen Krankheiten und Übergewicht assoziiert werden, abnehmen, während andere mit beschriebenen positiven Wirkungen zunahmen. Jedoch konnte beobachtet werden, dass nach Ende der Studie, wenn die Patient:innen nach einigen Woche zu ihrer ursprünglichen Ernährung zurückgekehrt waren, der Effekt auf das Mikrobiom verschwand. Jeden Tag Bohnen zu essen erhöht also die Diversität des Mikrobioms, aber eben nur solange, wie sie auch gegessen werden. Isst man keine Bohnen mehr, nimmt die Diversität wieder ab. So weit, so gut. Außerdem veränderte sich in der Studie aber auch noch das sog. Metabolom, das globale Profil an Stoffwechselprodukten der Proband:innen dahingehend, dass z.B. Tryptophan (eine Vorstufe von Serotonin) und Niacin (Vit B3)  besser verstoffwechselt werden konnten. Zusätzlich konnte eine antientzündliche Wirkung der Bohnen-Intervention im Blut der Proband:innen festgestellt werden. Es wurde nicht nur die Konzentration von Entzündungsstoffen gesenkt, sondern auch die von antiinflammatorischen Parametern angehoben. Wenn das mal keine anti-entzündliche Ernährung ist.


yes, bean can


Bohnen for the win also. Es scheint also zwar hinsichtlich Cholesterin eine umfassendere Änderung der Ernährung und Lebensstil notwendig zu sein, obwohl es auch hier Ergebnisse gibt, die genau das zeigen. Täglich eine Tasse Bohnen (etwa 130g) zu integrieren, stellt aber eine relativ einfache Maßnahme dar, um die Diversität des Mikrobioms zu verbessern und seinen Entzündungsstatus positiv zu beeinflussen. Bohnen zu vermeiden, nur weil man davon erstmal ein bisschen pupsen muss, ist möglicherweise unvernünftig und schade, ob der verpassten Möglichkeit. Bohnen sind günstig, überall zu haben und haben mit dieser und anderen Studien eine nachgewiesene Wirkung. Eine bessere Verträglichkeit wird durch eine schrittweise Erhöhung der Dosis erreicht, ebenso wie durch die Verwendung von entblähenden Gewürzen wie Kümmel, Fenchel oder Kreuzkümmel. Diese können sowohl präventiv bei der Zubereitung eingesetzt werden, als auch akut über das Kauen einiger Samen oder Verwendung in Tees. In einigen Fällen ist auch die Verwendung von Lefax o.ä. Produkten aus der Apotheke vorübergehend durchaus empfehlenswert. Außerdem sollten Bohnen zunächst getrennt von Zwiebeln und anderem Lauchgemüse verzehrt werden. In Kombination mit Kartoffeln und anderen milden Gemüsen kann man eine bessere Verträglichkeit erreichen. Was die Bohnen auch noch attraktiv macht, ist dass man sie eigentlich überall vorgekocht und verzehrfertig bekommt und man sie quasi einfach nur auf den Teller kippen müsste. Es gibt sie in der Dose oder aus dem Glas und beides ist gleich einfach in der Anwendung. Möglicherweise ist Glas vorzuziehen, aber das wäre jetzt eine Spitzfindigkeit. Das, was geht und das, was es gibt. 

Schlussendlich bleibt noch zu sagen, dass Pupsen etwas sehr Normales ist, solange es keine Schmerzen verursacht und man nicht herumläuft wie ein Luftballon. Darmgase sind möglicherweise auch eher ein Zeichen von zu hohem und anhaltendem vegetativen Stress, so dass auch ein gutes Stressmanagement sich immer positiv auf die Verdauung, Darmbewegungen und Gase auswirken kann. Das Thema Darmgesundheit ist nämlich eng mit unserem Nervenkostüm verbunden.


was die bohne sonst noch kann


Auch für den Aufbau von Muskulatur und deren Erhalt sind Bohnen nicht zu verachten. So bieten 100g weiße Bohnen schon 20g Protein und 2260mg der Aminosäure Leucin, die für die Anregung der Muskelproteinsynthese maßgeblich verantwortlich ist. Mit einer Portion von 130 g Bohnen hat man mit 26g Protein schon die Mindestmenge an Protein pro Mahlzeit und mit 2938mg den Tagesbedarf an Leucin für eine erwachsene Person gedeckt. Allgemein ist das Nährstoffprofil der Bohne exzellent: für Blutdruckpatient:innen bringt sie wenig Natrium und viel Kalium mit. Auch ihr Eisen- und Zinkgehalt sind nicht zu verachten, sowie ihr allgemeiner Vitamingehalt. Weiße Bohnen enthalten zwar auch Kohlenhydrate, aber diese sind langkettig und gut verpackt, so dass auch Diabetiker:innen auf Bohnen als hochwertige Kohlenhydratquelle setzen können. Der Anstieg des Blutzuckers wird i.d.R. verlangsamt und ein abendlicher Verzehr von Hülsenfrüchten allgemein, kann den Blutzucker am Morgen auch nach einem kohlenhydratreichen Frühstück niedriger halten. Auch hinsichtlich der hier nun so viel gelobten Ballaststoffe punktet die weiße Bohne mit knapp 30g pro 130g, was auch ihre Wirkung auf die Flatulenz begründet. Dadurch, dass sie außerdem ziemlich fettarm ist, kommt die Bohne außerdem als ausgesprochenes Low Calorie-Food daher und ist daher prädestiniert für alle, die ihr Gewicht in den Griff bekommen müssen. Mit nur 283 kcal/100g bei guter und lang anhaltender Sättigung und gleichzeitig ausgezeichnetem Nährstoffprofil ist die Bohne also ein echtes Superfood.(Quelle: Souci/Fachmann/Kraut)


Wer sich also nicht die Bohne für die Bohne interessiert, verpasst möglicherweise eine sehr einfache, günstige und wirkungsvolle Art, innerhalb weniger Wochen nachhaltig etwas Gutes für seine Gesundheit zu tun. Also liebe Leute, esst mehr Bohnen! Macht euch vertraut und und entdeckt die unendlichen Möglichkeiten der Zubereitung. Habt keine Angst vorm Pupsen und entpannt euch.

Make beans great again.


Herzliche Grüße und alles Liebe,

Eure Katharina










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